Theoretischer Hintergrund

Warum Ökobilanzierung (LCA) ?

Oft werden bei der Betrachtung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor nur die Emissionen im laufenden Betrieb betrachtet, also die Emissionen durch Heizung, Kühlung, Haushaltsstrom etc. Dabei wird allerdings die graue Energie, welche zum Beispiel für die Herstellung und Beseitigung der Baumaterialien benötigt wird, sowie die dadurch anfallenden CO2-Emissionen ignoriert. Je besser der energetische Standard der Gebäude, desto wichtiger ist diese graue Energie allerdings im Verhältnis zur für den Betrieb des Gebäudes aufgewendeten Energie. Der Unterschied in den Baumaterialien (z.B. zwischen Beton und Holz) ist erheblich: Während Holz Kohlenstoff bindet, werden schätzungsweise 8% der globalen Treibhausgasemissionen durch die Zementherstellung verursacht.

Bei einer Lebenszyklusanalyse werden die einzelnen Komponenten des Gebäudes von der Herstellung bis zur Entsorgung bzw. idealerweise bis zur Rückgewinnung der Rohstoffe betrachtet, um alle Umweltwirkungen im Gebäudelebenszyklus zu betrachten. Die Verbräuche/Emissionen im Betrieb sind dann nur ein Bestandteil von vielen. 

Bilanzierungsregeln

Die umweltbezogene Qualität von Gebäuden wird in der DIN EN 15978 bewertet. Um die Umweltwirkung des Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus zu erfassen, wird dieser gemäß EN 15804 in fünf verschiedene Phasen aufgeteilt. Diese sind die Herstellungsphase (Module A1-A3), die Errichtungsphase (A4-A5), die Nutzungsphase (B1-B7) sowie die Entsorgungsphase (C1-C4). Das Recyclingpotential (D) umfasst alle Auswirkungen außerhalb des Gebäudezyklus, die einen Teil der Umweltbelastungen wiedergutmachen, etwa durch Recycling oder eingespeisten Strom. Diese Phasen sind noch in einzelne Szenarien unterteilt. Für die Erstellung einer Ökobilanz nach BNB werden nicht alle dieser Phasen und Abschnitte betrachtet, sondern nur die im Bild unten farbig markierten. 

Das Gebäude wird nun in sämtliche verbauten Materialien aufgeteilt, und die Umweltwirkungen jedes Baustoffs sowie der Anlagen werden in jeder betrachteten Phase berechnet. Die dazu benötigten Daten kommen aus einer Datenbank des BMI, der ÖKOBAUDAT. In dieser werden Datensätze mit Umweltwirkungen der verschiedenen Phasen veröffentlicht, etwa Umweltproduktdeklarationen (EPD), die sich auf ein konkretes Produkt beziehen, oder generische Datensätze, die allgemeiner sind. Diese enthalten verschiedene Umweltwirkungen, von denen die wichtigsten Treibhausgasemissionen und nicht-erneuerbarer Primärenergiebedarf sind.

DIN EN 15978:2012-10: Bild 6 - Anzeige modularer Informationen für die verschiedenen Lebenszyklusstadien des Gebäudes (farbige Unterlegung hinzugefügt)

Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude

Das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG, https://www.nachhaltigesbauen.de/austausch/beg/) ist Voraussetzung für bestimmte Förderungen im Rahmen des BEG (NH-Klasse). Es wird von Zertifizierungsstellen vergeben, die u.a. die Ökobilanz prüfen.

Im Anhangdokument 3.1.1 für Wohngebäude_Stand_01.07.2021 bzw. 3.2.1.1 für Nichtwohngebäude sind die Bilanzierungsregeln definiert, nach denen die oben genannten Werte ermittelt werden. Den Materialien und Anlagen im Gebäude werden ÖKOBAUDAT-Einträgen zugeordnet, von denen Module A1-A3 und C3-C4 verwendet werden. Modul B4 (Austausch) wird anhand einer geeigneten Nutzungsdauer (https://www.nachhaltigesbauen.de/fileadmin/pdf/Nutzungsdauer_Bauteile/BNB_Nutzungsdauern_von_Bauteilen_2017-02-24.pdf) aus Modulen A1-A3 und C3-C4 ermittelt. Für Modul B6 (Energieverbrauch im Betrieb) soll der Wärmebedarf nach GEG berechnet werden (mit Emissionsfaktoren für Brennstoffe aus der ÖKOBAUDAT), als Strombedarf wird eine flächenbezogene Pauschale angesetzt. Recycling und Stromeinspeisung (Modul D) gehen nicht in das Ergebnis ein und werden rein informativ angegeben. Eine PV-Anlage verringert also nur durch weniger Strombezug das Endergebnis. Technische Anlagen werden teils über einen Sockelbetrag erfasst; die Anlagen zu Wärmeerzeugung, Lüftungsanlagen und Aufzüge werden als zusätzliche ÖKOBAUDAT-Einträge berücksichtigt.

Je nachdem ob ein Wohngebäude oder ein Nichtwohngebäude bilanziert werden sollen, werden die Anforderungswerte für die Treibhausgasemissionen und den nicht-erneuerbaren Primärenergiebedarf auf unterschiedliche Weise ermittelt. Weitere Kriterien für die Vergabe des QNG-Siegels sind nachhaltige Materialgewinnung, Schadstoffvermeidung und Barrierefreiheit. Das Programm berechnet also mit Treibhausgasemissionen und nicht-erneuerbarem Primärenergiebedarf nur einen Teil der QNG-Kritierien.

Laut Anlage 3 darf ein Wohngebäude für QNG-PLUS maximal 24 kg CO2 Äqu./m²NRF·a Treibhausgasemissionen verursachen und für QNG-PREMIUM max. 20. Außerdem muss der nicht-erneuerbare Primärenergiebedarf unter 96 kWh/m²NRF·a (PLUS) bzw. 64 (PREMIUM) liegen.

Die Ermittlung des Anforderungswertes für Nichtwohngebäude ist deutlich komplizierter. Hier wird ein Referenzgebäude in Anlehnung an das Referenzgebäude für die Berechnung nach GEG definiert, allerdings mit modifizierten Randbedingungen. Dieses Referenzgebäude wird bilanziert und die resultierenden Treibhausgasemissionen und der nicht-erneuerbare Primärenergiebedarf definieren die Anforderungswerte für QNG-PLUS bzw. QNG-PREMIUM. Das Vorgehen wird in Anhangdokument 3.2.1.2 beschrieben.