Wirkungsweisen von Wärmebrücken
Allgemein
Der Einfluss von Wärmebrücken
Wärmebrücken sind örtlich begrenzte Bereiche von Konstruktionen mit einer erhöhten Wärmestromdichte, die sich sowohl aus geometrischen (Ecken) als auch aus konstruktiven Einflüssen (Vorhandensein von Baustoffen mit erhöhter Wärmeleitfähigkeit) ergeben kann. Durch den lokal erhöhten Wärmefluss sinkt die Oberflächentemperatur auf der Seite mit der höheren Temperatur (Bauteilinnenseite). Daraus folgend ergeben sich vor allem zwei Problemfelder im Zusammenhang mit Wärmebrücken:
1. Erhöhte Transmissionswärmeverluste über das Außenbauteil.
2. Anstieg der relativen Luftfeuchte aufgrund des Absinkens der Oberflächentemperatur.
Besonders die letztgenannte Tatsache kann einen weiteren Negativeffekt hervorrufen: die Schimmelpilzbildung. Da Schimmelpilze lediglich eine hohe relative Feuchte, jedoch kein Tauwasser zur Sporenkeimung benötigen, fällt der Vermeidung hoher relativer Feuchten an Bauteiloberflächen besondere Aufmerksamkeit zu. Prinzipiell lassen sich Wärmebrücken in zwei Gruppen einteilen:
1. Geometrisch bedingte Wärmebrücken.
2. Stofflich bedingte Wärmebrücken.
In der Praxis findet man häufig auch Überlagerungen beider Arten, die „reine“ Art ist eher selten. Typischer Vertreter einer geometrischen Wärmebrücke ist eine Außenecke. In der ungestörten Wand ist die Fläche, die auf der Innenseite Wärme aufnimmt gleich groß wie die Außenfläche, die diese Wärme wieder abgibt. An der Ecke ist, geometrisch bedingt, die Außenfläche größer, es kommt zu einer intensiveren Abkühlung der Innenfläche, oftmals vor allem der Innenkante. Die stofflich bedingten Wärmebrücken sind in einem Bauwerk vor allem an Flächen und Punkten anzutreffen, an den aufgrund von Erfordernissen der Tragwerksplanung auf Stoffe mit erhöhter Tragfähigkeit zurückgegriffen werden muss (z.B. Anordnung einer Stahlbetonstütze als Aussteifungsstütze im Mauerwerk) bzw. überall dort, wo die einzelnen Tragsysteme eines Bauwerks ineinander greifen (z.B. Auflagerung der Decken auf dem Mauerwerk).
Begriffe
Die Betrachtung von Vorgängen an Bauteilen mit Wärmebrücken ist zunächst einmal fokussiert auf die Frage, welche Wärmemenge durch einen definierten Baukörper geleitet wird. Es geht demzufolge um Wärme, die bekanntlich eine Energieform darstellt und in den Einheiten J (Joule), Wh (Wattstunden) oder Kilowattstunden (kWh) angegeben wird. Im Gegensatz dazu ist die aus der energetischen Bewertung von Heizungs anlagen bekannte Einheit W (Watt) die jeweilige Leistung, mit der Wärme produziert werden kann. Als Unterschied beider Begriffe ist demnach festzuhalten, dass Wärmeenergie immer die über einen bestimmten Zeitraum – beispielsweise über eine Stunde, aber auch gut über eine ganze Heizperiode – abgerufene Leistung ist.
Wärme kann transportiert werden, wenn eine grundsätzliche Voraussetzung, nämlich das Vorhandensein einer Temperaturgradiente, anliegt (auf gekoppelte Transportvorgänge beispielweise von Dampf und Wärme soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden). Die innerhalb einer definierten Zeiteinheit transportierte Wärmemenge wird als Wärmestrom bezeichnet. Wird die Zeit „ausgeblendet“, so erhält man einen Wärmestrom in der Einheit W (Watt) oder kW (Kilowatt), also einen Wert, der der Wärmeleistung entspricht. Ist über einen bestimmten Zeitraum die am Bauteil anliegende Temperaturdifferenz konstant (stationärer Fall), so ist sachlogisch die Wärmeleistung gleich dem Wärmestrom. Beispielhaft sei an dieser Stelle ein Raum miteiner Wärmequellen-Heizleistung X erwähnt, die, wenn die Lüftungswärmeverluste zu null gesetzt werden, dem Wärmestrom entsprechen muss, der über die angrenzenden Bauteilflächen zur kälteren Seite hin abfließt, um eine konstantes Temperaturniveau zu gewährleisten.
Ein Wärmetransport in Bauteilen (fester Körper) erfolgt über Wärmeleitung. Diese Stoffeigenschaft wird in W/(mK) angegeben und besagt, dass bei einer Temperaturdifferenz von 1 K (Temperaturdifferenzen werden in Kelvin angegeben, sie könnten aber ebenfalls in °C ausgewiesen werden) pro Meter Bauteildicke eine stoffabhängige Wärmemenge fließt. Nehmen wir uns als Beispiel dazu Beton, dessen Wärmeleitfähigkeit 2,1 W/(mK) betragen soll. Beträgt die Temperaturdifferenz 1 K, so fließt bei 1 m Bauteildicke ein Wärmstrom von 2,1 W von der wärmeren zur kälteren Seite. Ergänzend ist zu anzumerken, dass sich die Wärmeleitung auf eine Bauteiloberfläche von 1 m² bezieht und einer Transportzeit von 1 h entspricht. Obgleich also die Zeiteinheit in der Berechnung der Wärmeströme nicht in den Einheiten auftaucht, ist sie später Grundlage für die Betrachtung der Wärmeströme über definierte längere Zeiteinheiten, wie zum Beispiel die Berechnung der Wärmeverluste über eine gesamte Heizperiode.
Der Unterschied in den stoffbedingten Werten ist eine Voraussetzung, um Wärmeströme eindeutig bestimmten Bereichen oder Flächen von Bauteilkonstruktion zuzuordnen.
In der Wärmeleitfähigkeit eines Baustoffs sind die einzelnen Prozesse der Wärmeleitung subsummiert. So werden in porösen Baustoffen andere Zusammenhänge aufgrund von Wärmestrahlung und konvektiven Wärmeübergangsprozessen zu betrachten sein, als in einem sehr dichten Baustoff, in dem der Wärmeleitungsprozess vorderhand durch die Bewegung der Feststoffmoleküle erfolgt.
Für Wärmeleitungsvorgänge ist charakteristisch, dass der Vektor der Wärmestromdichte in jedem Punkt eines Köpers proportional zum Vektor des Temperaturgefälles ist. Der sich daraus ergebende Proporptionalitätsfaktor ist die Wärmeleitfähigkeit.
Betrachten wir nunmehr ein Bauteil mit einer zwischen Außen- und Innenseite anliegenden Temperaturdifferenz, so wird der Wärmestrom proportional zur dieser Differenz sein. Diesen Proportionalitätsfaktor nennt man Leitwert, der den Wärmestrom angibt, der bei einer Temperaturdifferenz von 1 K durch das Bauteil fließt. Die Einheit des Leitwertes ist folglich W/K. Denken wir uns nun ein Bauteil mit einer in einer Richtung großen - in Relation zu den sonstigen Abmessungen - Längenausdehnung, dann kann dieser Leitwert zu einem längenbezogenen Leitwert transformiert werden, dessen Einheit in W/(mK) anzugeben ist. Obgleich die Einheit der Wärmeleitfähigkeit gleich ist, dürfen beide Werte nicht gleichgesetzt werden, da es sich bei der Wärmeleitfähigkeit um eine Stoffeigenschaft, bei dem längenbezogenen Leitwert indes um eine Bauteileigenschaft handelt.
Wände, Decken und Dächer können üblicherweise als plattenförmige Bauteile bezeichnet werden, was nahelegt, den Wärmestrom auf die Fläche dieser Bauteile zu beziehen, und nicht auf ihre Länge. In diesem Fall sprechen wir von einem flächenbezogenen Leitwert, dessen Einheit folgerichtig mit W/(m²K) anzugeben ist. Dieser flächenbezogene Leitwert ist nichts anderes als der allbekannte U-Wert, der den Wärmestrom je m² Bauteiloberfläche bei einer Temperaturdifferenz von 1 K zwischen den beiden Bauteiloberflächen quantifiziert.
Das Rechnen mit flächenbezogenen Leitwerten (U-Werten) ist immer dann sinnvoll, wenn der Wärmestrom senkrecht zur Bauteiloberfläche erfolgt. Der flächenbezogene Leitwert bildet gleichzeitig das Grundgerüst jeder Wärmebrückenbetrachtung, da er den „Sollwärmestrom“ durch das Bauteil oder durch Bereiche des Bauteils betrachtet, wir reden hier von einem „ungestörten“ Wärmestrom.
Selbstverständlich wird der Wärmestrom durch das Bauteil nicht allein durch die Wärmeleitfähigkeit des Materials determiniert, sondern auch durch die an den jeweiligen Oberflächen vorhandenen Wärmeströme, dem Wärmeübergang. Es handelt sich hierbei um die aus den Normen bekannten Übergangswiderstände, früher auch als Übergangskoeffizienten bezeichnet. Diese Übergangskoeffizienten sind nichts anderes als flächenbezogene Leitwerte der zwischen Raum-/Außenluft und Bauteiloberfläche vorhandenen Grenzschichten. Ihre Werte werden bestimmt durch die dort herrschenden Wärmestrahlungs- und Konvektionsbedingungen (siehe beispielsweise DIN EN ISO 6946). Ist der Gesamtwärmestrom durch eine Konstruktion bekannt, so ist es ein Leichtes, die Oberflächentemperatur auf z.B. der Innenseite einer Konstruktion zu bestimmen.
Der thermische Leitwert – egal, welchen Bezug wir nun annehmen – ist kein neuer Begriff in der Bauphysik; allerdings wird er selten verwendet. Genaugenommen ist er der Elektrotechnik entlehnt, in der der Leitwert als Kehrwert des elektrischen Widerstandes die Grundlage für viele Berechnungen von Widerständen Stromkreisen dient, seien sie nun in Reihe geschaltet oder als parallelgeschaltete angeordnet.
Die Analogie der Betrachtung in beiden Wissensgebieten ist nützlich, um uns dem flächenbezogenen Leitwert nochmals zuzuwenden, wenn die Konstruktion nicht aus einer, sondern aus einer Vielzahl hintereinander angeordneter Schichten besteht – was zugegebenermaßen selbst bei monolithischen Konstruktionen der Fall ist, wenn auch nur eine Putzschicht aufgebracht wird.
In der Elektrotechnik wird bei Reihenschaltung von Widerständen deren Addition zu einem Gesamtwiderstand vorgenommen. Genauso wird bei einem Bauteil mit mehreren hintereinander angeordneten Schichten verfahren, der Widerstand der einzelnen Schicht ist als Kehrwert seines Leitwertes definiert, als Einheit müsste sich demnach mK/W ergeben. Zweckmäßig – siehe oben – wird dieser Widerstand auf eine Fläche bezogen, daher ergibt sich dieser Widerstandswert als flächenbezogener Wert in m²K/W. Da der oben erwähnte Proportionalitätsfaktor, die Wärmeleitfähigkeit, den Wärmestrom an jeder Stelle maßgeblich bestimmt, kann der flächenbezogene Leitwert L mit Gleichung 1 mathematisch beschrieben werden:
[1]
Der Kehrwert des in Gleichung 1 darstellten flächenbezogenen Leitwertes führt zum Wärmedurchlasswiderstand einer Schicht, der mit R abgekürzt wird und die Einheit m²K/W besitzt. Auf das oben erwähnte Beispiel mit Beton angestellt, ergibt sich ein Leitwert einer 30 cm dicken Wand von 7 W/m²K oder ein Wärmedurchlasswiderstand von ca. 0,143 m²K/W. Hätten wir keinerlei Wärmeübergangsmechanismen an der Oberfläche des Bauteils und keine weiteren Schichten, so wäre der flächenbezogene Leitwert nichts anderes als der U-Wert des Bauteils. Da aber diese Mechanismen immer an der Oberfläche von Bauteilen auftreten (die meisten sind mit der Umgebungsluft verbunden), ist das Hintereinanderliegen von Schichten bzw. Widerständen in der Baupraxis immer gegeben und ist, wie in der Elektrotechnik, mit der Reihenschaltung von Widerständen zu vergleichen, die in der Summe den Wärmedurchgangswiderstand RT ergeben. Der Kehrwert des Wärmedurchgangswiderstandes bringt uns dann zurück zum flächenbezogenen Leitwert, dem U-Wert. Soll ein gesamter Leitwert für ein genau definiertes Bauteil mit vorgegebener Fläche bestimmt berechnet werden, so erhalten wir den Leitwert genau dieses Bauteils in W/K. Ist die Temperaturdifferenz gegeben, so kann der Wärmestrom einfach aus der Multiplikation des flächenbezogenen Leitwertes mit der Temperaturdifferenz errechnet werden.
[2]
Betrachtet man den Leitwert wiederum als Kehrwert des Wärmedurchlasswiderstandes, so wird Gleichung 2 zu:
[3]
Oder:
[4]
Da, wie oben bereits angenommen, der Wärmestrom als konstant angenommen werden kann, so ist es mit dem nach den Gleichungen 3 und 4 gegebenen Zusammenhang möglich, an jedem Punkt einer gedachten Temperaturlinie die vorhandene Temperatur zu ermitteln. In DIN EN ISO10211:2008-04 wird dieser Zusammenhang wie folgt dokumentiert:
[5]
q Wärmestrom;
θ die innere oder äußere Temperatur;
θs die Temperatur der Innen- oder Außenoberfläche;
RS der innere oder äußere Wärmeübergangswiderstand
Hinweis zur Benutzung des Psi-Therm: Da sich die Lösungsroutine des Programm dieses Zusammenhanges bedient, ist zur korrekten Ermittlung der Wärmeströme auch immer die Eingabe mindestens eines Übergangswiderstandes erforderlich. Werden beide Übergangswiderstände mit null eingegeben, so ist keine korrekte Ermittlung des Psi-Wertes gegeben.
Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Betrachtung von mehreren Bauteilen, die beispielsweise eine wärmeübertragende Hülle eines Gebäudes bilden. In diesem Fall ist es sinnvoll, einen Leitwert zu bilden, der als Summe aller Leitwerte der Bauteile ermittelt wird.
[6]
Lj flächenbezogener Leitwert des Einzelbauteils j in W/(m²K);
Aj Fläche des Einzelbauteils j in m².
Bedienen wir uns wieder an den Begriffen der Elektrotechnik, so handelt es sich also um eine klassische Parallelschaltung der Widerstände. Diese kann aber nur dann als gegeben angenommen werden, wenn die Temperaturen an beiden Seiten bei allen betrachteten Flächen gleich ist. Um die Berechnung zu vereinfachen, wird beispielweise in DIN V 18599 mit sogenannten Temperaturkorrekturfaktoren gearbeitet, die eine Summenbildung auch ohne das Vorliegen einer gleichen Temperaturdifferenz ermöglichen. Diese Tatsache haben wir dann später zu berücksichtigen, wenn wir den Wärmestrom eines Details in Relation stellen zu seinem ursprünglich angenommenen Leitwert.
Die bisher dargestellte Leitwertdiskussion führt unweigerlich zu der Frage nach einer sicheren Prognose der zu erwartenden Oberflächentemperatur. Da sich der Wärmestrom aus Gleichung 3 aus dem Produkt aus der Temperaturdifferenz und dem Kehrwert des Wärmedurchgangswiderstandes ergibt und der Wärmestrom als konstant angenommen werden kann, ist folgender Zusammenhang als gegeben anzusehen:
[7]
RT Wärmedurchgangswiderstand der Konstruktion in m²K/W;
θi Innentemperatur gemäß festzusetzender Randbedingungen in °C;
θa Außentemperatur gemäß festzusetzender Randbedingungen in °C;
RSi innerer Wärmeübergangswiderstand in m²K/W;
θOi Oberflächentemperatur in °C.
Aus Gleichung 7 resultiert eine Oberflächentemperatur von:
[8]
Der dimensionslose Faktor f kann auch Verhältniswert zwischen dem Wärmedurchgangswiderstand der Konstruktion und seinem Wärmeübergangswiderstand ausgedrückt werden.
[9]
So ist es möglich, außerhalb von ungestörten Wandbereichen, den Wärmebrücken also, ganz einfach die Oberflächentemperatur zu ermitteln. Das abschließende Beispiel soll die Leitwertdiskussion noch etwas anschaulicher gestalten, weswegen wir uns auch gleich beim Programm Psi-Therm bedienen. Gegeben seien 4 Räume, die über mehrere Bauteile miteinander verbunden sind. Die Raumanordnung ist Bild 1 zu entnehmen.
Bild 1: Raumanordnung zur Verdeutlichung des Leitwert-Begriffs
Die Wand zwischen den Räumen (und nach außen) soll eine 30 cm Porenbetonwand mit einem U-Wert (keine Putze berücksichtigt) von 0,315 W/(m²K) sein, die Decken besitzen einen U-Wert von 2,40 W/(m²K) bzw. 5,67 W/(m²K) – die Unterschiede sind lediglich auf abweichende Wärmeübergangswiderstände zurückzuführen. Die nun zu errechnenden Leitwerte zeigt Tabelle 1.
Tabelle 1: Berechnete eindimensionale Leitwerte
Anhand der Tabelle 1 sehen wir also, dass einem Detail als Verbindung verschiedener Räume mehrere Leitwerte zugeordnet werden kann, letztlich in Abhängigkeit von der Schnittführung am Detail, die uns später noch beschäftigen wird. Es wird aber auch die Problematik deutlich, einem Detail einen ganz bestimmten Leitwert zuzuordnen, wenn mehrere Räume angrenzen - ganz abgesehen davon, dass mit der Bestimmung der Leitwerte der Einfluss ineinandergreifender Bauteile auf den Wärmestrom zwischen den Räumen nicht ausreichend beschrieben werden kann. Oder nehmen wir das Detail zwischen dem Raum 3 und 4, welchen Einfluss hat der Anschluss auf den Wärmestrom zwischen dem Raum 4 und Raum 1 (Außentemperatur)? Diese Überlegungen führen fast automatisch zu einem weiteren Begriff, dem des zweidimensionalen Leitwertes, der in den Normen auch kurz als L2D bezeichnet wird und den Wärmestrom mit einschließt, der über die Anschlussdetails mit zu berücksichtigen ist. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Schnittführung in der Berechnung so zu wählen, dass sich möglichst die Wärmeströme unterschiedlicher Anschlüsse klar zuordnen lassen. In der Praxis wird diese Frage nicht immer einfach zu beantworten sein, und man hat die Wärmebrückenberechnung als das zu sehen, was sie ist: Als eine Vereinfachung komplexer Wärmeströme mit dem Ziel, eine für die Praxis verwendbare und für die Beurteilung von Auswirkungen auf die energetische und feuchtetechnische Bewertung ausreichende Lösung herbeizuführen.
Berücksichtigung des Einflusses zusätzlicher Verluste über Wärmebrücken
Die nachfolgenden Darstellungen beziehen sich vorderhand auf die Bewertung des Wärmebrückeneinflusses auf der Basis der in Deutschland gültigen Betrachtungsweise. Einige europäische Staaten haben diese in ihren Normen übernommen, andere favorisieren eine andere. Für die Berechnung mit Psi-Therm hat das kaum Auswirkungen, da aufgrund der zur Verfügung gestellten Freiheitsgrade bei der Modellierung und Bestimmung der Randbedingungen de facto alle Anpassungen möglich sind.
Wird der Heizwärmebedarf des Gebäudes nach dem Monatsbilanzverfahren der DIN V 4108-6 oder der DIN V 18599-2 berechnet, so kann die Wirkung von konstruktiv und geometrisch bedingten Wärmebrücken auf den Transmissionswärmeverlust der Gebäudehülle alternativ mit drei normativ gleichwertigen Verfahren berücksichtigt werden.
a) Berechnung nach DIN EN ISO 10 211 (ψ-Werte).
b) Pauschalierte Berücksichtigung mit ΔUWB = 0,05 W/(m²K) unter Berücksichtigung der Planungsgrundsätze nach DIN 4108 BBl.2.
c) Pauschalierte Berücksichtigung mit ΔUWB = 0,10 W/(m²K) , sofern DIN 4108 BBl. 2 unberücksichtigt bleiben soll bzw. die Konstruktionen nicht als gleichwertig zu betrachten sind. Bei Außenbauteilen mit innenliegender Dämmschicht und einbindender Massivdecke ist für ΔUWB ein Wert von 0,15 W/(m²K) anzusetzen.
Der pauschale Wärmebrückenzuschlag und der längenbezogene Wärmedurchgangskoeffizient stehen dabei in folgender mathematischer Beziehung zueinander:
[10]
UWB Wärmebrückenkorrekturwert nach DIN V 4108-6 bzw. DIN V 18599-2
ψ Längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient
l Länge der Wärmebrücke
A Wärmeübertragende Umfassungsfläche
Ein Wärmebrückenkorrekturfaktor von 0,05 W/(m²K) beschreibt demzufolge, dass einem Quadratmeter wärmeübertragender Umfassungsfläche ein längenbezogener Wärmebrückenverlustkoeffizient von 0,05 W/(m²K) mit einer Konstruktionslänge von einem Meter zuzuordnen ist.
Die Berechnung des ψ-Wertes erfolgt unter Beachtung der DIN EN ISO 10211 mit der folgenden Gleichung:
[11]
L2D thermischer Leitwert der zweidimensionalen Wärmebrücke;
Uj Wärmedurchgangskoeffizient des jeweils zwei Bereiche trennenden 1-D-Bauteils;
lj die Länge innerhalb des 2-D-geometrischen Modells, für die der Uj gilt;
n die Nummer der 1-D-Bauteile
Die längenbezogenen Wärmedurchgangskoeffizienten (ψ-Werte) sind gemäß DIN V 4108-6 und DIN V 18599-2 für folgende Wärmebrücken zu berechnen:
- Gebäudekanten;
- Fenster- und Türlaibungen (umlaufend),
- Decken- und Wandeinbindungen,
- Deckenauflager,
- wärmetechnisch entkoppelte Balkonplatten.
Die grundlegenden Temperatur-Randbedingungen für die Berechnung sind der DIN 4108-2 zu entnehmen.
Tabelle 2: Temperaturrandbedingungen nach DIN 4108-2
Zugegeben wird mit Blick auf Tabelle 2 auch gleich eine neue Problemseite aufgeschlagen: die der unterschiedlichen Temperatur-Randbedingungen, die je nach Hintergrund der Berechnung anzuwenden sind. DIN 4108-2 formuliert zwar, dass die Randbedingungen für die Berechnung von Wärmebrücken gelten, meint aber nur einen ganz bestimmten Teil dieser Berechnung: die Ermittlung der Oberflächentemperatur. In Psi-Therm wird dieser Situation dergestalt Rechnung getragen, dass eine separate Berechnung der Wärmebrücke bezüglich der Oberflächentemperatur und des längenbezogenen Wärmdurchgangskoeffizienten erfolgt. Für die Berechnung der Oberflächentemperatur interessiert für den Nachweis nach DIN 4108-2 nur der Ort mit der minimal auftretenden Temperatur. Unter den genannten Randbedingungen muss sichergestellt sein, dass der sogenannte Temperaturfaktor fRsi den Wert von 0,7 nicht unterschreitet, was bei einer Außentemperatur von -5 °C und einer Innentemperatur von 20 °C zu einer Oberflächentemperatur von mind. 12,6 °C führt. Gleichung 12 verdeutlicht diesen Zusammenhang.
[12]
fRsi dimensionsloser Temperaturfaktor;
θsi raumseitige Oberflächentemperatur;
θi die Innenlufttemperatur;
θe die Außenlufttemperatur.
Wird der Temperaturfaktor eingehalten, so wird vorausgesetzt, dass auf der Oberfläche die für die Schimmelpilzbildung kritische Luftfeuchte von 80 % nicht erreicht wird. Die kleine Abweichung, die sich jedem auftut, wenn die Gleichung 8 mit den Randbedingungen einer Außentemperatur von - 5 und einer Innentemperatur von + 20 °C nachrechnet (12,5 °C wären exakt möglich, 12,6 °C sind aber gefordert), soll hier nicht Gegenstand der Diskussion sein. Was aber ist bei anderen Randbedingungen einzuhalten, wenn zum Beispiel die Innentemperatur 20 °C und die Temperatur des angrenzenden Raumes 10 °C beträgt? Sind es hier die 12,6 °C oder der Mindestwert von fRsi = 0,7? Obgleich die Norm darüber keine klaren Aussagen enthält, ist die Anwendung des fRsi = 0,7 für diesen Fall nicht maßgebend, da dieser Wert zu einer Anforderung von 17 °C für die raumseitige Oberflächentemperatur führen würde. Auch hier wird es natürlich ausreichen, wenn die raumseitige Oberflächentemperatur mind. 12,6 °C beträgt.
Weitere Randbedingungen für die Berechnung der längenbezogenen Wärmedurchgangskoeffizienten sind der DIN EN 10211 und dem Anhang A von Beiblatt 2 zu DIN 4108 zu entnehmen.
Aufgrund der Festlegung, dass alle Flächen im Nachweis außenmaßbezogen unter Beachtung der DIN EN ISO 13789 zu ermitteln sind, hat auch die Berechnung der ψ-Werte außenmaßbezogen zu erfolgen, was unter Umständen (z.B. bei Außenwandecken) zu negativen ψ-Werten führen kann. Im Unterschied zur Berechnung des Heizwärmebedarfs nach DIN V 4108-6, in dem nur positive Bedarfswerte einbezogen werden, darf auch ein negativer ψ-Wert zur Verringerung der Verluste herangezogen werden.
Die Berechnung des ψ-Wertes unter Anwendung der DIN EN 10211 wird nunmehr anhand eines Beispiels erläutert:
Der Wärmebrückeneinfluss einer in der Außenwand eingebundenen Stahlbetonstütze soll untersucht werden. Die Stahlbetonstütze wird außenseitig zusätzlich mit 4 cm Wärmedämmung mit einem Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit von 0,025 W/(mK) gedämmt. Die gewählte Schnittführung ist Bild 2 zu entnehmen. Die Stahlbetonstütze ist bei der Ermittlung des U-Wertes der Außenwand nicht berücksichtigt worden.
Bild 2: Außenwand mit Stahlbetonstütze
Der U-Wert der Außenwand beträgt 0,599 W(m²K) (24 cm Porenbetonplatte P4,4/0,6) nach DIN EN ISO 6946.
Der Term U · l aus Gleichung 11 wird zu: 0,599 · 3,20 m = 1,92 W(mK)
Der mit unserem Programm Psi-Therm ermittelte Wärmestrom beträgt 51,49 W/m.
Der thermische Leitwert berechnet sich aus:
q Wärmestrom 2-D aus Wärmebrückenprogramm
Δϑ Temperaturdifferenz (hier: 20 – (-5) = 25 K)
Außenmaßbezogener Wärmebrückenverlustkoeffizient ψa:
ψa = 2,06 - 1,92 = 0,14 W(mK)
Bei einer 3 m hohen Stahlbetonstütze wären demnach für den Anschluss zusätzliche Verluste von 0,14 · 3 m = 0,42 W/K zu berücksichtigen.
Wird der längenbezogene Wärmebrückenverlustkoeffizient auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogen, so ergibt sich ein Wert von 0,42 / 9,6 m² = 0,044 W(m²K).
Transmissionswärmeverluste unter Beachtung zusätzlicher Verluste über Wärmebrücken
Gemäß EnEV ist der flächenbezogene Transmissionswärmeverlust HT nach DIN EN 832 mit den in DIN V 4108-6 Anhang D genannten Randbedingungen zu ermitteln. Dabei dürfen die Vereinfachungen für den Berechnungsgang nach DIN 832 verwendet werden. Diese Festlegung gilt unabhängig vom Temperaturniveau des Gebäudes. In der DIN V 18599-2 wird für HT der Begriff Transmissionswärmetransferkoeffizient verwendet. Dieser Unterschied hat auf den Berechnungsalgoritmus keinen Einfluss und wird daher nicht weiter beachtet.
Die Berechnung des spezifischen Transmissionswärmeverlustes erfolgt auf der Grundlage der nachfolgend dargestellten Gleichung:
[13]
HT spezifischer Transmissionswärmeverlust;
LD Leitwert zwischen dem beheizten Raum und außen über die Gebäudehülle in W/K;
LS stationärer Leitwert zum Erdreich in W/K nach DIN EN 13370;
HU der spezifische Transmissionswärmeverlustkoeffizient über unbeheizte Räume in W/K nach DIN EN 13789.
Der Leitwert LD ist dabei nach folgender Rechenvorschrift zu bestimmen:
[14]
oder
[15]
Ai die Fläche des Bauteils i der Gebäudehülle in m²;
Ui der Wärmedurchgangskoeffizient in W/(m²K) des Bauteils i derGebäudehülle, berechnet nach DIN EN ISO 6946 und DIN EN ISO 10077;
lk die Länge der zweidimensionalen Wärmebrücke k;
Ψk der längenbezogene Wärmedurchgangskoeffizient in W/(mK) der Wärmebrücke k nach DIN EN ISO 10211;
χj der punktbezogene Wärmedurchgangskoeffizient in W/k der punktförmigen Wärmebrücke j, berechnet nach DIN EN ISO 10211;
Lk 2D der thermische Leitwert in W/(mK), der durch die zweidimensionale Berechnung nach DIN EN ISO 10211 ermittelt wird;
Lj 3D der thermische Leitwert in W/K, der durch dreidimensionale Berechnung nach DIN EN ISO 10211 ermittelt wird.
Die mögliche Vereinfachung des Rechenganges besteht in der Verwendung von Temperaturkorrekturfaktoren Fx für Bauteile, die nicht an die Außenluft grenzen (siehe Tabelle 5) und in der Verwendung eines pauschalen, auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogenen Wärmebrückenzuschlages ΔUWB. Dreidimensionale Wär mebrücken werden im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Nachweises nicht beachtet, zweidimensionale Wärmebrücken zu niedrig beheizten Räumen dürfen vernachlässigt werden. Der zusätzliche spezifische Wärmeverlust für Bauteile mit Flächenheizung ist im öffentlich-rechtlichen Nachweis nach Abschnitt 6.1.4 der DIN V 4108-6 zu ermitteln und zum spezifischen Transmissionswärmeverlust zu addieren. Unter Beachtung dieser Vereinfachungen ergibt sich folgende Berechnungsvorschrift für den spezifischen Transmissionswärmeverlust:
[16]
Fxi Temperaturkorrekturfaktor nach Tabelle 3 DIN V 4108-6, für Bauteile gegen Außenluft ist Fxi = 1;
Ui Wärmedurchgangskoeffizient eines Bauteils in W/(m²K);
Ai Fläche eines Bauteils in m²;
ΔUWB spezifischer Wärmebrückenzuschlag in W/(m²K);
A Wärmeübertragende Umfassungsfläche des Gebäudes;
ΔHT,FH spezifischer Wärmeverlust über Bauteile mit Flächenheizung
Wird, abweichend von Gleichung 12, der zusätzliche Verlust über Wärmebrücken nach DIN EN ISO 10211 berechnet, so ist statt des Terms ΔUWB · A der Leitwert L zu verwenden. Die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten Ui hat nach den Vorschriften der DIN EN ISO 6946, DIN EN ISO 10077 (Fenster) und DIN 13370 bzw. Anhang E der DIN V 4108-6 (Bauteile, die an das Erdreich grenzen) zu erfolgen. Wird der U-Wert für Bauteile, die an das Erdreich grenzen, nach Anhang E der DIN V 4108-6 berechnet, so ist zu beachten, dass bei an das Erdreich grenzenden Bauteilen (z.B. Bodenplatten) der äußere Wärmeübergangswiderstand zu null zu setzen ist.
Nachweis der Gleichwertigkeit nach Beiblatt 2
Mit dem Programm Psi-Therm ist es sowohl möglich, Wärmebrücken auf der Grundlage der nach DIN EN ISO 10211 festgelegten Randbedingungen zu berechnen als auch einen Nachweis der Gleichwertigkeit nach Beiblatt 2 zu führen.
Der Nachweis der Gleichwertigkeit von Konstruktionen zu den im Beiblatt 2 aufgezeigten kann mit einem der nachfolgenden Verfahren vorgenommen werden:
a) Bei der Möglichkeit einer eindeutigen Zuordnung des konstruktiven Grundprinzips und bei Vorliegen der Übereinstimmung der beschriebenen Bauteilabmessungen und Baustoffeigenschaften ist eine Gleichwertigkeit gegeben.
Diese Art des Gleichwertigkeitsnachweises folgt dem Grundsatz, dass das zu beurteilende Detail mit einem Detail aus dem Beiblatt übereinstimmt. Ein Beispiel ist in Tabelle 3 aufgeführt.
Tabelle 3: Gleichwertigkeitsnachweis nach Verfahren a)
b) Bei Materialien mit abweichender Wärmeleitfähigkeit erfolgt der Nachweis der Gleichwertigkeit über den Wärmedurchlasswiderstand der jeweiligen Schicht.
Diese Instruktion für eine Feststellung der Gleichwertigkeit soll ermöglichen, dass bei Einhaltung der energetischen Qualität der Gesamtkonstruktion auch abweichende Aufbauten verwendet werden können. In der Praxis wird man diese Regel vor allem dann anwenden können, wenn zum Beispiel Mauerwerk oder Dämmung geringerer Wärmeleitfähigkeit zum Einsatz kommen soll. Es ist jedoch zu beachten, dass in Beiblatt 2 kein Wärmedurchlasswiderstand ausgewiesen wird, es ist daher immer zunächst davon auszugehen, dass der Aufbau mit den minimalen Wärmeleitfähigkeiten nach Beiblatt 2 als Vergleichsgrundlage zu dienen hat. Der folgende Vergleich verdeutlicht die Nachweisführung anhand eines Beispiels:
Tabelle 4: Gleichwertigkeitsnachweis nach Verfahren b)
Hinweis: Die Forderung nach Einhaltung des Wärmedurchlasswiderstandes gilt für alle Bereiche der Konstruktion, nicht nur für das Mauerwerk selbst. Deshalb ist bei dem dargestellten Detail eine Reduzierung der Dämmung auf 80 mm nur dann möglich, wenn eine Dämmung mit einer Wärmeleitfähigkeit von ≤ 0,03 W/(mK) zum Einsatz käme, da ansonsten der Wärmedurchlasswiderstand an der Stirnseite der Decke geringer ausfiele.
c) Ist auf dem unter a) und b) dargestellten Wege keine Übereinstimmung zu erreichen, so sollte die Gleichwertigkeit des Anschlussdetails mit einer Wärmebrückenberechnung nach den in DIN EN ISO 10211 beschriebenen Verfahren unter Verwendung der in Beiblatt 2 angegebenen Randbedingungen vorgenommen werden.
Für diese Art des Nachweises der Gleichwertigkeit ist also eine Berechnung des ψ-Wertes gefordert. Eine solche Berechnung kann nur unter Verwendung von speziellen EDV-Programmen vorgenommen werden. Zu beachten ist hierbei, dass in Beiblatt 2 an einigen Stellen von den in DIN EN ISO 10211 vorgeschriebenen Randbedingungen abgewichen wird (z.B. bei erdberührten Bauteilen). Die Berechnungen des ψ-Wertes für ebensolche Anschlussdetails können vorderhand nur für den Nachweis der Gleichwertigkeit verwendet werden und nicht für einen detaillierten Nachweis der Wärmebrückenverluste eines Gebäudes. Andererseits kann es erforderlich werden, alle Details eines Gebäudes bezüglich ihrer Gleichwertigkeit nachzuweisen, die Summe der nach Beiblatt 2 ermittelten längenbezogenen Wärmedurchgangskoeffizienten führt zum Gesamtverlust über Wärmebrücken. Teilt man diesen durch die wärmeübertragende Umfassungsfläche, so wird ein ΔUWB herauskommen, der unter Umständen unterhalb des nach DIN V 4108-6/DIN V 18599-2 angebotenen Wertes liegt. Wenn alle Details unter gleichen Randbedingungen ermittelt worden sind und der Gesamtverlust geringer ist als im Beiblatt 2 angegeben, so spricht nichts dagegen, den so ermittelten ΔUWB zu verwenden. Dementsprechend relativiert sich die Aussage nach Beiblatt 2 und eine detaillierte Ermittlung der Verlustwerte nach den Randbedingungen des Beiblatts 2 scheint möglich. Voraussetzung ist, und das ist nicht oft genug zu betonen, dass wirklich alle Details des Gebäudes berechnet worden sind – aber das entspricht ja auch der Intention des detaillierten Nachweises.
Die zu verwendenden Randbedingungen sind im Kapitel 7 des Beiblatts enthalten. InBild 2 werden exemplarisch die Randbedingungen für die Berechnung des ψ-Werteseines Anschlusses der obersten Geschossdecke dargestellt. Der Dachraum ist unbeheizt.
Bild 2: Randbedingung für die Berechnung des ψ-Wertes (Beispiel)
In den Randbedingungen werden festgelegt:
1. Wärmeübergangswiderstände (nach DIN EN 6946)
2. Der gewählte Außenmaßbezug der Bauteile nach DIN EN ISO 13789
3. Temperaturfaktoren (f-Werte)
Schauen wir uns zunächst eine Besonderheit der Randbedingungen an – den Temperaturfaktor f. Vorweg: Dieser hat nichts zu tun mit dem Faktor fRSi und auch nicht mit unserem Temperaturfaktor nach Gleichung 9.
Die Temperaturfaktoren fx sind aus den Temperaturkorrekturfaktoren Fx nach DIN V 4108-6 abgeleitet und stehen in folgender Beziehung zueinander:
[17]
Der Wert für den Temperaturkorrekturfaktor zum ungeheizten Dachraum Fu für das in Bild 2 aufgezeigte Anschlussdetail ist nach DIN V 4108-6 mit 0,8 anzunehmen, daher wird fu 0,2. Der Vorteil einer Verwendung des Temperaturfaktors besteht darin, dass auf das Umrechnen auf die konkreten Temperaturen verzichtet werden kann, was eine Vereinfachung, gleichwohl aber keine Notwendigkeit und schon gar keine Voraussetzung darstellt. Da der Temperaturfaktor mit dem Temperaturkorrekturfaktor in der in Gleichung 17 gezeigten Art in Verbindung steht, ist es wichtig, in der Berechnung mit Psi-Therm auch die tatsächlich in der Berechnung des Transmissionswärmeverlustes für das jeweilige Bauteil verwendeten Fx-Werte zu benutzen. Anderenfalls ist die Berechnung der ψ-Werte nicht korrekt. Die nach DIN V 4108-6 /DIN V 18599-2 anzusetzenden Temperaturkorrekturfaktoren sind der Tabelle 3 zu entnehmen.
Tabelle 5: Anzuwendende Temperaturkorrekturfaktoren
Die Temperaturkorrekturfaktoren für an das Erdreich grenzende Bauteile (Bodenplatte, Kellerwand) werden im Beiblatt 2 einheitlich für alle Details mit 0,6 festgelegt. Diese Annahme liegt auf der sicheren Seite, da die positiven Einflüsse aus Geometrie und Dämmung derartiger Bauteile nicht in die Berechnung eingehen. Für detaillierte Nachweise nach DIN EN ISO 10211 sollten diese Einflüsse jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Was ist aber zu tun, wenn nach Psi-Therm mit realen Temperaturen gerechnet werden soll? In diesem Fall sind die Temperaturfaktoren in Temperaturen umzurechnen. Beispiele für Temperaturen, die sich aus der Anwendung des nach Gleichung 17 dargestellten Zusammenhanges ergeben, zeigt Tabelle 5. Wir gehen hierbei davon aus – so wie in DIN 4108-2 festgelegt –, dass die Standardtemperaturdifferenz zwischen innen und außen 25 K beträgt (innen: 20 °C, außen: - 5 °C). An diese Temperaturdifferenz werden mit den Temperaturkorrekturfaktoren Fx die anderen Randbedingen angepasst, sozusagen als Relativwert. So bedeutet beispielsweise, dass bei einem Temperaturkorrekturfaktor von 0,8 (nicht ausgebauter Dachraum) die Temperaturdifferenz zwischen dem auf 20 °C temperierten Innenraum und dem Dachraum nur 80 % der Standardtemperaturdifferenz von 25 K entspricht. Die Temperatur des Dachraums würde dementsprechend 0 K betragen, zumindest für die Berechnung des ψ-Wertes, denn wir wissen ja, dass für die Berechnung der Oberflächentemperatur die Werte nach Tabelle 2 anzunehmen sind.
In der Tabelle 5 sind die Zusammenhänge für ausgewählte Fx-Werte noch einmal als Übersicht dargestellt. Diese Übersicht soll helfen, die richtigen f-Werte für die Berechnung mit Psi-Therm auszuwählen oder zu berechnen.
Randbedingungen:
Außen: - 5 °C
Innen: + 20°C
Temperaturdifferenz: 25 K
Tabelle 5: Berechnung der anzusetzenden Außentemperaturen aus den f-Werten
Alle im Beiblatt berechneten ψ-Werte sind außenmaßbezogene Werte. Der ψ-Wert wird bestimmt nach:
[18]
l2D der längenbezogene thermische Leitwert aus einer 2-D-Berechnung;
Uj der Wärmedurchgangskoeffizient des 1-D-Teiles;
lj die Länge, über die der Uj-Wert gilt.
Da über den Außenmaßbezug nach DIN EN ISO 13789 bei der Berechnung der Wärmeverluste schon ein Teil der Wärmebrückenverluste in die Berechnung eingeht, ist der ψ-Wert vor allem ein Verhältniswert, der das Verhältnis bereits einbezogener Verluste zu den tatsächlich vorhandenen Verlusten darstellt. Der außenmaßbezogene ψ-Wert ist daher kein Wert zur energetischen Beurteilung der Anschlussdetails. Der Nachweis der Gleichwertigkeit über die Berechnung des ψ-Wertes soll im Folgenden an einem Beispiel erläutert werden.
Tabelle 6: Gleichwertigkeitsnachweis nach Verfahren c)
Die Modellierung des Details sowie die Ergebnisse (Wärmeströme) sind aus Bild 2 zuentnehmen.
Bild 2: Eingabedaten und Ergebnisse der Berechnung mit dem Programm Psi-Therm
Auf der Basis der Berechnungsergebnisse erfolgt die Ermittlung des längenbezogenen Wärmebrückenkoeffizienten.
Der Nachweis der Gleichwertigkeit wurde erbracht, da der berechnete ψ-Wert mit dem nach Beiblatt 2 geforderten übereinstimmt. Bei Übereinstimmung der restlichen Detaillösungen des Gebäudes mit den in Beiblatt 2 enthaltenen kann somit der pauschale Wärmebrückenzuschlag von 0,05 W/(m²K) zur Anwendung gebracht werden. Sollten auch andere Details nicht mit denen nach Beiblatt 2 übereinstimmen, so ist die oben veranschaulichte Vorgehensweise für jedes Detail zu wiederholen.
d) Ebenso können ψ-Werte Veröffentlichungen oder Herstellernachweisen entnommen werden, die auf den im Beiblatt festgelegten Randbedingungen basieren.
Mit dieser vom Beiblatt 2 eingeräumten Nachweisart wird erstmals die Möglichkeit eröffnet, die von Herstellern bereitgestellten ψ-Werte als Grundlage einer Gleichwertigkeitsbeurteilung zu verwenden. Dem Planer obliegt jedoch eine gewisse Prüfpflicht, die sich vor allem darauf beschränkt, die verwendeten Randbedingungen zu hinterfragen. Gegebenenfalls sollte sich der Planer, um die Haftungsfrage eindeutig zu regeln, vom Anbieter die verwendeten Randbedingungen detailliert bescheinigen lassen. Alle die in diesem Katalog berechneten Werte basieren auf den Randbedingungen von Beiblatt 2 und können daher auch für den Nachweis der Gleichwertigkeit verwendet werden.
Hinweis zur Bagatellregelung nach EnEV:
Soweit nach den Vorgaben des Beiblatts 2 Gleichwertigkeitsnachweise zu führen wären, ist dies nach EnEV 2009 für solche Wärmebrücken nicht erforderlich, bei denen die angrenzenden Bauteile kleinere Wärmedurchgangskoeffizienten aufweisen, als in den Musterlösungen der DIN 4108 Beiblatt 2:2006-03 zugrunde gelegt sind. Diese in der EnEV enthaltene Regelung führt bislang leider zu missverständlichen Interpretationen und soll daher kurz erläutert werden:
Skizze: Bild 17 nach Beiblatt 2 zu DIN 4108
Der Text der EnEV lässt folgende Interpretationen zu:
Variante A: Auf einen Kimmstein kann verzichtet werden, wenn die angrenzenden Bauteile (hier Sohlplatte und zweischalige Außenwand) jeweils einen geringeren UWert aufweisen als die im Bild dargestellte Musterlösung.
Variante B: Die Musterlösung ist grundsätzlich mit Kimmstein umzusetzen. Da aber auch eine dickere Wärmedämmung (z.B. Außenwand mit 160 mm Dämmung) vom Konstruktionsprinzip nach Beiblatt 2 abweicht, wäre ein Gleichwertigkeitsnachweis erforderlich. Aufgrund des Verordnungstextes ist dieser aber entbehrlich.
Es ist anzunehmen, dass der Verordnungsgeber die Variante B meinte. Bis zu einer offiziellen Klarstellung ist zu empfehlen, nicht allein auf die U-Werte der angrenzenden Bauteile abzustellen und zusätzlich den Nachweis der Einhaltung der Mindestoberflächentemperatur nach DIN 4108-2 an der ungünstigsten Stellen zu führen.
Empfehlungen zur energetischen Betrachtung
Das alte Beiblatt 2 ließ die Frage offen, unter welchen Voraussetzungen geometrische und konstruktive Wärmebrücken im öffentlich-rechtlichen Nachweis unberücksichtigt bleiben dürfen. Diese Frage wird im neuen Beiblatt wie nachfolgend aufgezeigt beantwortet:
1. Anschlüsse Außenwand/Außenwand (Außen- und Innenecke) dürfen beider energetischen Betrachtung vernachlässigt werden.
Diese Möglichkeit wurde deshalb eingeräumt, weil der Außenmaßbezug bei der Berechnung der thermischen Verluste über die Außenwände die zusätzlichen Verluste an solchen Anschlüssen generell einschließt. Bei der detaillierten Berechnung des außenmaßbezogenen ψ-Wertes für solche Anschlussdetails werden daher auch stets negative Verlustwerte (sprich: Wärmegewinne) ermittelt. Eine Gleichwertigkeitsbetrachtung ist daher entbehrlich. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gewinne bei einer detaillierten Berechnung aller Wärmebrücken eines Gebäudes nach DIN EN ISO 10211 nicht einbezogen werden dürfen.
Ergänzend sei jedoch hinzugefügt, dass diese Empfehlung nur für den Fall einer thermisch homogenen Eckausbildung zutrifft. Werden zum Beispiel Stahlbetonstützen oder Stahlstützen im Eckbereich angeordnet, so ist sicherlich eine detaillierte Berechnung der ψ-Werte und der fRsi-Werte zu empfehlen. Derartige Konstruktionen werden von der oben erwähnten Vereinfachung nicht erfasst.
2. Der Anschluss Geschossdecke (zwischen beheizten Geschossen) an die Außenwand, bei der eine durchlaufende Dämmschicht mit einer Dicke ≥ 100 mm bei einer Wärmeleitfähigkeit von 0,04 W/(mK) vorhanden ist, kann bei der energetischen Betrachtung vernachlässigt werden.
Ein Beispiel für die Anwendung dieser Vereinfachung dokumentiert Bild 3
Bild 3: Anschlussdetail Decke/Außenwand
Die zusätzlichen Verluste am Anschluss Decke /Außenwand sind auch für den in Bild 3 dargereichten Fall durch den im Nachweis verwendeten Außenmaßbezug bereits im Gesamtverlust der Außenwand enthalten. Die geforderte minimale Oberflächentemperatur von 12,6 °C an der Innenseite wird aufgrund der durchlaufenden Dämmschicht mit einem Mindestwärmedurchlasswiderstand von 2,5 m²K/W sicher eingehalten. Werden zum Beispiel Aussteifungsstützen im Außenmauerwerk angeordnet, so gilt diese Vereinfachung aber nur dann, wenn die Außenwand bereits als zusammengesetztes inhomogenes Bauteil berechnet wurde. Eine detaillierte Berechnung der Oberflächentemperatur sollte auch für diesen Fall vorgenommen werden.
3. Anschluss Innenwand an eine durchlaufende Außenwand oder obere und untere Außenbauteile, die nicht durchstoßen werden bzw. wenn eine durchlaufende Dämmschicht mit einer Dicke von ≥ 100 mm bei einer Wärmeleitfähigkeit von 0,04 W/(mK) vorliegt, dürfen bei der energetischen Be trachtung vernachlässigt werden.
Die Grundlage für diese Vereinfachung wurde bereits unter 1. erläutert. Diese Empfehlung folgt dem Grundsatz, dass ohne Perforation der Dämmschicht keine Wärmebrücken auftreten, zumindest nicht für den hierorts bereits mehrfach erwähnten außenmaßbezogenen Berechnungsfall. In Bild 4 ist ein Beispiel für die Anwendung dieser Empfehlung beigefügt.
Bild 4: Anschlussdetail Pfettendach an das Außenmauerwerk
Hinweis: Mit dem in Bild 4 dargestellten Konstruktionsprinzip sind auch auskragende Bauteile (Balkonplatte) erfasst. Hier fordert das Beiblatt, grundsätzlich auskragende Bauteile thermisch von der Gebäudehülle zu trennen. Auch für diesen Anwendungsfall sind keine weiteren Nachweise erforderlich.
4. Einzeln auftretende Türanschlüsse in der wärmetauschenden Hüllfläche (Haustür, Kellerabgangstür, Kelleraußentür, Türen zum unbeheizten Dachraum) dürfen bei der energetischen Betrachtung vernachlässigt werden.
Diese normativen Hinweise würdigen den Umstand, dass derlei Wärmebrücken auf den Energieverlust eines Gebäudes in der Tat nur einen geringen Einfluss haben. Detaillierte Nachweise sind ohnehin sehr aufwendig und nur mit vereinfachenden Modellbildungen realisierbar. Dies schließt aber wiederum nicht die Sorgfaltspflicht des Planers aus, diese Details so zu planen, dass an den Anschlüssen keine niedrigen Oberflächentemperaturen aufgrund hoher Wärmeverluste auftreten. Mit der im Normentext gewählten Formulierung soll lediglich die Möglichkeit eingeräumt werden, auch bei Vorhandensein einzelner im Beiblatt nicht abgebildeter Details trotzdem den pauschalen Wärmebrückenverlust von 0,05 W/m²K auf die gesamte wärmeübertragende Umfassungsfläche anwenden zu können.