Modellierung von Wärmebrücken
Wie die Ausführungen zum thermischen Leitwert bereits gezeigt haben, kommt der richtigen Modellierung der Wärmebrücken als üblicherweise kleiner Teil der Gebäudehülle eine große Bedeutung zu. Wer beeinflusst eigentlich wen in welchem Maße, so könnte man dieses Problem umschreiben. Um nicht allzu große Auswüchse zuzulassen, hat die grundlegende europäische Berechnungsnorm DIN EN 10211 zumindest für die üblichen Fälle einige Annahmen definiert, an die man sich bei der Modellierung orientieren kann und sollte. Man ist jedoch nicht davor gefeit, auch für spezielle Situation Annahmen treffen zu müssen, die keine Norm enthält. Wichtig ist, diese möglichst genau zu beschreiben, was mit dem Programm Psi-Therm auch möglich ist, da jede Modellierung Teil des Handouts resp. PC-outs ist und daher von einem Dritten auch nachvollzogen werden kann.
Die erste Frage, die sich auftut und beantwortet werden muss, ist die nach der richtigen Schnittführung an einer Wärmebrücke. DIN EN 10211 gibt dazu folgende Hinweise:
- Schnittführung erfolgt in der Symmetrieebene, falls diese weiniger als dmin vom zentralen Element (also von dem Teil, den wir hier als Wärmebrücke bezeichnen).
Bild 5: Symmetrieebene, die als Schnittebenen zu verwenden sind nach DIN EN ISO 10211
- Im Abstand von mindestens dmin vom zentralen Element, falls keine Symmetrie vorhanden ist.
Bild 6: Modell mit mehr als einer Wärmebrücke (wichtig für 3 D-Modelle)
Dicke des flankierenden Bauteils, je nachdem, welches der größere Wert ist. In der Praxis ergeben sich regelmäßig Probleme daraus, dass bei Einhaltung der Mindestabstände mehrere Wärmebrücken in die Modellierung fallen, und es demgegenüber nicht genau möglich ist, einem Detail einen berechneten Wert zuzuordnen. Dieser Fall ist insbesondere dann wichtig, wenn Gleichwertigkeitsnachweise nach Beiblatt 2 zur Einhaltung der hierorts ausgewiesenen maximalen ψ-Werte geführt werden sollen. Diese Maximalwerte gelten auch nur für die ausgezeichnete Schnittführung, daher brauchen die Maximalwerte nicht eingehalten werden, wenn benachbarte Wärmebrücken sich über das im Beiblatt aufgezeigte Maß hinaus gegenseitig beeinflussen.
Für 2-D-Modelle, wie diese in Psi-Therm zu berechnen sind, ergeben sich beispielhaft für den Anschluss Wand-Decke bzw. bei einbindenden Bauteilen die nachfolgenden Schnittebenen.
Bild 7: Beispiele für die Anordnung von Schnittebenen im 2-D-Modell
Noch anders stellt sich die Schnittführung bei erdberührten Bauteilen dar. Die DIN EN ISO 10211 setzt für diesen Fall recht großzügige Schnittführungen, die außerhalb des Gebäudes bis hin zum 2,5-fachen Wert der Gebäudebreite reichen. Für das 2-D-Modell, und nur das interessiert uns zunächst, ergibt sich die nachfolgend dokumentierte Schnittführung. Da die Gebäudebreite von Gebäude zu Gebäude unterschiedlich ist, kann der ψ-Wert für derartige Anschlüsse auch streng genommen nur gebäudebezogen ermittelt werden. Es sollte aber reichen, für standardisierte Anschlüsse mit einer Gebäudebreite b von 8 m zu rechnen, was zu einem Erdreich-Rechteck von 12 x 10 m führt. Die Situation, dass ja auch innerhalb des Gebäudes zusätzliche Wärmebrücken – zum Beispiel der Anschluss einer Innenwand an das Erdreich – auftreten können, beschreibt die Norm nicht. In diesem Fall kann man sich damit behelfen, links und rechts des Anschlusses jeweils in einem Abstand von 2 m die Schnittführung vorzunehmen und die Erdreichtiefe mit 10 m anzusetzen. Die Schnittkanten werden jeweils als adiabatisch angenommen, jedenfalls in der neuesten Ausgabe der DIN EN ISO 10211.
Die alte Ausgabe, deren Ausgabedatum im Beiblatt 2 hinterlegt ist und die es daher heute noch im öffentlich-rechtlichen Nachweis zu beachten gilt, ist für die horizontale Schnittebene im Erdreich die mittlere Außentemperatur am Standort anzunehmen (für Deutschland wären das 8,9 °C).
Bild 8: 2-D-Modellierung bei Wärmebrücken, die an das Erdreich grenzen
Werden die Randbedingungen des Beiblatts 2 verwendet, ergeben sich insbesondere für die an das Erdreich grenzenden Wärmebrücken divergierende Annahmen, auf die an dieser nicht in Gänze eingegangen werden kann. Nur ein Beispiel ist mit Bild 9 gegeben.
Bild 9: Modellierung einer Wärmebrücke nach Beiblatt 2
Wir entnehmen aus Bild 9, dass entgegen DIN EN ISO 10211 das Erdreich bzw. der durch das Erdreich entstehende zusätzliche Wärmedurchlasswiderstand unberücksichtigt bleibt. Die Außentemperatur (fe = 0 bzw. - 5 °C) wird für den gesamten Außenbereich verwendet, für die Temperaturrandbedingungen unterhalb der Sohlplatte ist fbf (Standard = 0,6 bzw. + 5 °C) anzusetzen. Nur bei der Berechnung der minimalen Oberflächentemperatur wird unterhalb der Bodenplatte ein Erdkörper mit einer Tiefe von 3 m angenommen, die Schnittkante erhält die Temperatur 10 °C, was nur einer äußerst grobe Annäherung an die Vorgaben der DIN EN ISO 10211 entspricht. Da auch das Beiblatt 2 die Randbedingungen nach DIN EN ISO 10211 explizit alternierend zulässt, kann der Nachweisführende zwischen diesen Randbedingungen wählen, nur vermischen sollte und darf er sie nicht.
Ist die Modellierung der Wärmebrücke abgeschlossen, so rückt nach Gleichung 18 eine weitere Frage in den Vordergrund, und zwar die nach dem für die Wärmebrücke einzubeziehenden Soll-Wärmestrom. Unter Soll-Wärmestrom wird bei der Berechnung von Wärmebrücken jener Wärmestrom verstanden, der ohne den Einfluss einer Wärmebrücke durch die Konstruktion fließt oder, besser ausgedrückt, fließen würde. Unser Raummodell aus Bild 1 hat genau diesen Soll-Wärmestrom ermittelt, demnach den zweiten Term in der Gleichung 18. Die Berechnung des ersten Terms übernimmt das Rechenprogramm. Zu beachten bei der Berechnung des Soll-Wärmestroms ist die Tatsache, dass eine Übereinstimmung mit den Angaben in der Berechnung der Leitwerte aus dem wärmetechnischen Nachweis bestehen muss, um einen verwertbaren ψ-Wert zu erhalten. In Deutschland erfolgt die Berechnung der Leitwerte – modern auch als Transferkoeffizienten bezeichnet – über die Außenmaße der Bauteile, sachlogisch darf bei der Berechnung der Wärmebrücken davon nicht abgewichen werden. Was es heißt, über Außenmaße zu ermittelten, wird in Bild 10 illustriert.
Bild 10: Außenmaßbezug bei der Berechnung von Leitwerten
Aus der DIN V 18599-100 kann in Anlehnung an DIN EN ISO 13789 die nachfolgende Prinzipskizze für den Flächenbezug über Außenmaße entnommen werden.
Bild 11: Außenmaßbezug nach DIN V 18599-100
Als unvorteilhaft erweist sich die Tatsache, dass nicht alle Randbedingungen nach Beiblatt 2 zu DIN 4108 am Außenmaßbezug sich orientieren. Im Bild 12 ist ein solcher Fall aufgeführt.
Bild 12: Bezugsmaße nach Beiblatt 2 für den Anschluss Dach-Decke
Nach Bild 12 müsste die Bezugslänge der Außenwand bis zur Oberkante des Estrichs reichen, obgleich der Außenmaßbezug nach Bild 11 bei beheizten oberen Geschossen einen Bezugspunkt auf der Oberkante der Decke setzt. Auch die Länge der schrägen Dachkonstruktion wäre entsprechend zu korrigieren. Bis zu einer Korrektur des Beiblatts ist diesem Umstand dahingehend Rechnung zu tragen, dass bei reinen Gleichwertigkeitsnachweisen die Bezugslängen des Beiblatts, bei detaillierten Berechnungen der Wärmebrücken aber die der DIN EN ISO 13789 zu verwenden sind.