Wir haben bereits im ersten Abschnitt feststellen können, dass zwischen der Änderung der Temperatur in einem Köper und dem Wärmestrom eine proportionale Abhängigkeit besteht, die durch die Wärmeleitfähigkeit beschrieben wird. Die Tempertaturverteilung kann durch eine Funktion T(x,y,z) der drei möglichen Ortskoordinaten beschrieben werden. Eine solche Beschreibung transformiert den eindimensionalen in einen dreidimensionalen Fall, in dem die Wärme in die Richtung des größten Temperaturabfalls fließt. Denkt man sich also einen Körper mit drei unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten, so wird der stärkste Temperaturabfall in der Richtung auftreten, in der die Wärmeleitfähigkeit am größten ist. Mathematisch kann dieser Fall folgendermaßen umschrieben werden.
[19]
Nach Gleichung 19 fließt der Wärmestrom in Richtung entgegengesetzt zum Vektor der partiellen Abteilung der Temperaturverteilung. ist dabei die richtungsabhängige Gradiente der Temperatur:
In der Betrachtung von Volumina haben wir zusätzlich den Zusammenhang einzubeziehen, dass aufgrund des Wärmestroms die Wärmeenergie im Körper abnimmt, was allgemein auch als Energieerhaltungssatz bekannt ist. Mathematisch kann diese Erkenntnis als Differentialgleichung dargestellt werden.
[20]
Die Summe aus der Divergenz des Wärmstroms und der Ableitung der Wärmeenergiedichte nach der Zeit ist demnach immer null. Ein Erhaltungssatz dieser Form wird auch als Kontinuitätsgleichung bezeichnet. Entsteht in einem Körper aufgrund von Energieumwandlungsprozessen zusätzliche Wärmeenergie, so kann die Gleichung 20 als Ergebnis keine Null mehr erbringen. Der sodann auf der rechten Seite der Gleichung entstehende Betrag ist die Wärmeenergie, die je Zeit- und Volumeneinheit im Körper an einem Ort (x,y,z) entsteht. Für die Berechnung von Wärmebrücken ist dies beispielweise wichtig, wenn innerhalb einer Konstruktion eine Wärmequelle vorhanden ist, die auf eine Volumeneinheit bezogen in W/m³ angegeben wird.
Aus Gleichung 19 und 20 resultiert nunmehr das Problem, beide mathematischen Zusammenhänge so zu verbinden, dass möglichst eine daraus entstehen kann. Dazu wird der Zusammenhang zwischen Temperatur und Wärmeenergie benötigt, der sich physikalisch wie folgt darstellt:
[21]
Demnach ist die Änderung der Wärmeenergie eines Körpers definiert als Produkt seiner Wärmekapazität und der vorhandenen Temperaturänderung. Damit stellt sich die Änderung der Wärmeenergie je Zeiteinheit wie folgt dar:
[22]
Verbindet man nun diese gewonnenen Erkenntnisse zu einer einzigen Gleichung, so erhält man die von Fourier aufgestellte Grundgleichung der Wärmeleitung:
[23]
Wir gehen davon aus, dass das Material homogen ist (was zugegebenermaßen auch nicht für alle Baustoffe zutrifft, bei der Berechnung der Wärmebrücken aber zumeist nicht zu berücksichtigen ist), was zu einer Vereinfachung der Gleichung 23 führt.
[24]
Um die Temperaturänderung zu erhalten, wird die Wärmekapazität im nächsten Schritt durch Division auf die rechte Seite der Gleichung gebracht:
[25]
Der Quotient aus Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität wird auch als Wärmeleitzahl „a“ bezeichnet, die Summe innerhalb der Klammer wird auch LAPLACE-Operator genannt und mit vereinfacht.
Die Gleichung 25 gilt für den räumlichen und zeitlichen Verlauf der Temperatur und lässt sich nur für Fälle mit einfachen Anfangs- und Randbedingungen geschlossen integrieren.
Die erste Vereinfachung der Wärmeleitungsgleichung tritt mit der ausschließlichen Betrachtung von stationären Zuständen ein. Für diesen Fall wird die Ableitung der Temperatur nach der Zeit null, was zu folgender Differentialgleichung führt:
[26]
Für den Fall, dass die Wärmeleitfähigkeit in allen Richtungen gleich ist, kann zur Vereinfachung der Gleichung vor die Ableitung gezogen und durch Division eliminiert werden. Das Programm Psi-Therm berücksichtigt nur den stationären Berechnungsfall mit homogenen Materialien. Diese Vereinfachung ist im Rahmen des Nachweises von Wärmebrücken nach DIN EN ISO 10211 und DIN 4108 möglich. Es muss klar sein, dass durch diese stationäre Betrachtung zum Beispiel der Einfluss der Wärmekapazität auf den Wärmetransport durch das Bauteil vernachlässigt wird. Des Weiteren werden im Psi-Therm keine Wärmequellen (q_E=0) berücksichtigt.
Für die weitere Betrachtung der Berechnung ist es erforderlich, sich über die Randbedingungen klar zu werden, die zur numerischen Lösung der Wärmeleitungsgleichung herangezogen werden. Psi-Therm nutzt dabei zwei Randbedingungen, die in der Literatur auch als Neumann-Randbedingung und Robin-Randbedingung bezeichnet werden. Die Neumann-Randbedingung wird für die Schnittebene in der Konstruktion angewendet, was physikalisch mit der Annahme einer idealen Wärmeisolation für die Schnittebene gleichzusetzen ist (adiabate Schnittebene). Außerhalb der gewählten Schnittebene ist für die Wärmebrückenberechnung die Anwendung der Neumann- Randbedingung nur dort sinnvoll, wo an ein Festkörper an einen anderen Festkörper mit extrem niedriger Wärmeleitfähigkeit grenzt.
Was aber passiert, wenn Wärme von einem Festkörper (z.B. Baustoff) auf ein Gas (z.B. Luft) übergeht? Aus der klassischen Bauphysik ist der Begriff des Wärmeübergangskoeffizienten bzw. des Wärmeübergangswiderstandes bekannt. Für die Festlegung der Randbedingungen am Übergang der Medien steht die Ausgangssituation, dass die Temperatur an der Oberfläche des Festköpers unbekannt, die Temperatur des umgebenden Mediums aber bekannt sein dürfte, da die allgemeinen Randbedingungen für die Berechnung von Wärmebrücken eine solche Temperatur bereits vorgeben. Diese Randbedingung wird in der Literatur oft als Randbedingung dritter Art oder Robin-Randbedingung bezeichnet.
Die Berechnung der stationären Wärmeleitung erfolgt in Psi-Therm auf der Grundlage des sogenannten Minimumsprinzips, was insbesondere bei der Berücksichtigung der Methode der finiten Elemente Vorteile bringt und aus der Mechanik hergeleitet worden ist. Das Minimumsprinzip ist eine zur Fourier-Wärmeleitungsdifferentialgleichung ranggleiche Beschreibung von stationären Wärmeleitvorgängen. Auf eine Herleitung wird hier verzichtet. Die sich aus dem Minimumsprinzip ergebende lineare Gleichungssystem wird nach dem Verfahren der konjugierten Gradienten gelöst.
Das CG-Verfahren (von engl. conjugate gradients oder auch Verfahren der konjugierten Gradienten) ist eine effiziente numerische Methode zur Lösung von großen, symmetrischen, positiv definiten Gleichungssystemen der Form Ax = b. Es gehört zur Klasse der Krylow-Unterraum-Verfahren. Das Verfahren liefert nach spätestens m Schritten die exakte Lösung, wobei m die Dimension der quadratischen Matrix A ist. Insbesondere ist es aber als iteratives Verfahren interessant, da der Fehler monoton fällt.
Das von Psi-Therm verwendete Verfahren befindet sich in Übereinstimmung mit dem nach DIN EN ISO 10211 geforderten Lösungsverfahren. Unter Anwendung des Konti nuitätsprinzips und unter Berücksichtigung der Randbedingungen wird ein Gleichungssystem aufgestellt, was sich als Funktion der Temperaturen nach der Zerlegung von Konstruktionen in viele kleine Elemente ergibt (finite Elemente). Aus der Temperaturverteilung lassen sich durch Anwendung des Fourierschen Gesetzes die Wärmeströme berechnen.
Um die Übereinstimmung des gewählten Verfahren mit dem des Referenzverfahrens zu prüfen, sind mit Psi-Therm die nach DIN EN ISO 10211 vorgegebenen Referenzfälle geprüft und verglichen worden.
Die nachfolgende vergleichende Übersicht zeigt die gute Übereinstimmung des Prüfreferenzfalls B und bildet daher eine solide Grundlage für die richtige Berechnung der stationäre Wärmeleitungsvorgänge in Baukonstruktionen mit Psi-Therm ab. Sowohl der errechnete Gesamt-Wärmestrom als auch die zu berechneten Temperaturen befinden sich in guter Übereinstimmung und innerhalb zu vernachlässigender Toleranzen.